43. Economic Conference
Welche Zukunft für Europa?
Michael Wohlgemuth
«Wirtschaftsverfassung statt Wirtschaftsregierung!»
David Owen
«The Dysfunctional Eurozone»
«Wirtschaftsverfassung statt Wirtschaftsregierung!»
«The Dysfunctional Eurozone»
Fast auf den Tag genau 70 Jahre nachdem Winston Churchill in Zürich eine Rede über die Zukunft Europas halten durfte, ist der Respekt groß. Was würde Churchill heute sagen? Er wäre wahrscheinlich überrascht gewesen, dass seine Landsleute in diesem Jahr für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt haben – vor allem, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass sie jemals einer „Art Vereinigte Staaten von Europa“ beitreten würden. Für ihn war klar, dass Deutschland und Frankreich den Kern dieser Union bilden müssen – und er hatte Recht. Dass ein geeintes Europa eines Tages so frei und glücklich sein würde wie die Schweiz – diese Erwartung Churchills hat sich hingegen bis heute nicht wirklich erfüllt.
Referat von Michael Wohlgemuth
Wirtschaftswissenschaftler und Forschungsdirektor bei der Stiftung für Ordnungspolitik und Staatsrecht in Liechtenstein
Wirtschaftsverfassung oder Wirtschaftsregierung? Unvereinbare Optionen für eine „politische Union“ der EU Fast auf den Tag 70 Jahre nach Winston Churchill in Zürich eine Rede zur Zukunft Europas halten zu dürfen, nötigt enormen Respekt ab. Was würde Churchill heute sagen? Er hätte sich wohl gewundert, dass seine Landsleute in diesem Jahr für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt haben – vor allem, weil er sich nie vorstellen konnte, dass sie überhaupt jemals einer „Art von Vereinigten Staaten von Europa“ beitreten würden. Dass Deutschland und Frankreich den Kern dieser Vereinigung bilden müssten, hat er klar gesehen – und dabei Recht behalten. Dass ein vereinigtes Europa eines Tages so frei und glücklich sein werde wie die Schweiz – diese Erwartung Churchills hat sich heute dagegen nicht wirklich erfüllt.
Heute steht vor allem die Eurozone vor einem Scherbenhaufen. Auch wenn der Vergleich mit dem Scheitern des Völkerbundes arg weit hergeholt ist: diese Bemerkung aus Churchills Zürcher Rede lässt sich auch auf das Euro-Experiment übertragen: „Der Völkerbund hat nicht wegen seiner Grundsätze oder seiner Vorstellungen versagt. Er hat versagt, weil die Staaten, die ihn gegründet hatten, diesen Grundsätzen untreu geworden waren. Er hat versagt, weil sich die Regierungen jener Tage davor fürchteten, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen und zu handeln, solange dazu Zeit blieb“.
Nicht in Großbritannien, aber auf dem Kontinent, war man sich bisher einig, die Europäische Union sei von Anfang an ein „politisches Projekt“, dessen Finalität zwingend in einer „immer engeren politischen Union“, ja bei etwas wie den „Vereinigten Staaten von Europa“ liege.
Die Krise der europäischen Währungsunion hat zwar m.E. bewiesen, dass der Versuch, eine ökonomisch zweifelhafte und riskante Tat als „politisches Projekt“ zu verstehen und nach politischen Kriterien zu gestalten, scheitern musste. Nun aber dient die Eurokrise dazu, erst recht eine politische Union nachzuholen; zumindest was die Länder der Eurozone betrifft: Die selbstverschuldete Krise als Chance, das zu erzwingen, was vor Einführung des Euro politisch nicht durchsetzbar war! Das hierbei souverän ausgeblendete Problem ist „nur“: für wirklich weitgehende Schritte in dieser Richtung fehlen auch im derzeitigen „Ausnahmezustand“ sowohl (verfassungs-) rechtliche als auch demokratische Grundlagen.
Meine knappe Analyse wird zum Schluss kommen, dass mit einem „großen Sprung nach vorn“ in eine Art von „Vereinigten Staaten von Europa“ auf lange Zeit nicht zu rechnen ist. Vor allem, weil in Frankreich und Deutschland komplett gegensätzliche Vorstellungen für eine funktionsfähige „Fiskalunion“ herrschen.
Das mag viele hier beruhigen oder beängstigen. Ich komme jedenfalls zum Schluss, dass uns die Krise wohl als Dauerzustand erhalten bleibt. Es dürfte bestenfalls gelingen, sie mit einem Gemisch unterschiedlicher und nicht selten inkohärenter Maßnahmen zu „managen“, nicht aber zu „lösen“.
Der in Zürich lebende Philosoph Hermann Lübbe hat hierzu schon vor vier Jahren festgestellt: „Ein Topos aus der Tradition alteuropäischer Moralistik ermuntert uns, Krisen als Chance zu begreifen … Nun werde „visionsgemäß ein vor der Krise noch für unerreichbar gehaltener Transfer zentraler Souveränitätsrechte von Mitgliedsländern der Union auf diese erzwungen“. Lübbe warnt indes davor: „just in der Krise, in die man selbstüberschätzungsabhängig geraten ist, die eigenen Zwecke und Ziele noch einmal weiter und höher zu stecken“.
Aber gilt das wirklich auch für die offiziell verlautbarten Konzepte aus Brüssel? Letzten Sommer wurde dem Europäischen Rat ein „fünf-Präsidenten-Bericht“ vorgelegt. Dabei geht es um Vertiefung an vier Fronten: „Wirtschaftsunion“, „Finanzunion“, „Fiskalunion“, „Politische Union“ und dies in drei Stufen bis spätestens 2025. Ich fasse kurz zusammen:
„Wirtschaftsunion“: hier wird zurecht darauf verwiesen, dass der Kern der europäischen Integration – der Binnenmarkt – in zentralen Bereichen (Dienstleistungen, Energie-, Digital- und Kapitalmärkte) noch längst nicht „vollendet“ ist. Hier gibt es viele Initiativen; und das ist auch gut so.
„Finanzunion“: Hier geht es zunächst um die Fortentwicklung der Bankenunion. Sehr ausdrücklich auch um die noch fehlende „dritte Säule“, die gemeinsame Einlagensicherung, die vor allem von Deutscher Seite bisher abgelehnt wird. Die fünf Präsidenten wollen hierbei zwar „moralische Risiken“ vermeiden; sie sagen aber nicht, wie.
„Fiskalunion“: hier wird es ernst. Am „Ende des Prozesses“ soll „eine Funktion zur fiskalischen Stabilisierung für das gesamte Euro-Währungsgebiet geschaffen werden“.
Wie diese „Funktion“ „funktionieren“ soll, bleibt wieder einmal unklar; aber es ist ein neues Wort gefunden für einen Umverteilungstopf!
Zunächst aber soll für „verantwortungsvolle Haushaltspolitik“ gesorgt werden. Nur wie?
Wie man es eben so macht in Brüssel: Es soll ein unabhängiger „Europäischer Fiskalausschuss“ eingerichtet werden, der die nationalen „Räte für Finanzpolitik“ koordiniert. Den Zentralrat gibt es seit letzter Woche. Unter den fünf Experten ist natürlich eine Französin, aber kein Deutscher. Die Euro-Räterepublik braucht keine deutschen Ökonomen!
„Politische Union“: darunter verstehen die fünf Präsidenten „verbesserte demokratische Rechenschaftspflicht, mehr Legitimität und eine Stärkung der Institutionen“. Klingt auch gut; nur dürfte daraus wenig werden, wenn hierfür noch nicht einmal ein Ausschuss oder Rat gebildet wurde …
Überhaupt: die Frage, für welche Teile des EU Zehnjahresplans eigentlich eine Änderung des Primärrechts (der EU-Verträge) erwünscht oder notwendig ist, wird auch nicht beantwortet. Diese Frage ist freilich entscheidend: Erst, wenn hierüber klare Aussagen gemacht werden, kann man auch erkennen, welche Schritte nun wirklich erheblich neue Kompetenzen der EU schaffen würden.
Freilich wissen alle Beteiligten, dass echte Vertragsänderungen derzeit politisch tabu sind, weil sie die Büchse der Pandora öffnen und endlosen Streit entfachen würden. Am Ende dürfte jeder neue Vertrag mit weiterer Abtretung von Souveränität an „Brüssel“ an vielen nationalen Parlamenten und bei so gut wie in jeder Volksabstimmung scheitern.
Gleichwohl gilt die Aussage, eine Währungsunion ohne politische Union oder Fiskalunion könne nicht gelingen, zumindest in Berlin und Brüssel als Binsenweisheit. In Paris wurde schon immer von einer „politischen“ Steuerung der Währungsunion geträumt. Nur: auch wenn man in Berlin und Paris gemeinsam von „Wirtschaftsregierung“, „politischer Union“ oder „Fiskalunion“ redet, benutzt man zwar dieselben Begriffe, meint damit aber grundsätzlich anderes.
Die französische Position (sehr ähnlich die italienische) bedeutet ganz sicher nicht, dass die Souveränität der Republik und ihres Präsidenten etwa durch einen europäischen „Finanzminister“ oder strengere Regeln für die französische Haushaltspolitik gemildert werden soll.
Europäische „Wirtschaftsregierung“ nach französischem Vorbild meint vor allem:
Anstelle ordnungspolitischer Regeln der Selbstbindung von Regierungen sollen „politische“ Entscheidungen EU-weiter „Planification“ stehen. Also: intergouvernementale Willensakte der Staatschefs, die, gedeckt oder getrieben von einer Mehrheit in einem Parlament der Eurozone, über ein Eurozonenbudget entscheiden, das von vergemeinschafteten Steuern und Schulden finanziert wird.
Die deutsche Idee einer „Fiskalunion“ (zumindest nach den Vorstellungen von Wolfgang Schäuble) ist eine völlig gegensätzliche. Diese „politische“ Union soll weitgehend „entpolitisiert“ werden; verbindliche Regeln (wie etwa im „Fiskalpakt“) sollen vereinbart und durch möglichst automatische Sanktionen oder mithilfe unabhängiger Entscheider auch durchgesetzt werden.
Wirtschaftsverfassung statt Wirtschaftsregierung!
Das wäre zumindest eine idealtypische Interpretation einer deutschen Vorstellung von „Fiskalunion“, die auf das zentrale Konzept der ordo-liberalen „Freiburger Schule“ (Walter Eucken, Franz Böhm) zurückgreifen würde, das einst die geistige Grundlage eines recht erfolgreichen Modells bildete.
Im Kern geht es bei der Wirtschaftsverfassung um das Primat regelbasierter Ordnungspolitik gegenüber interventionistischer Prozesspolitik. Davon ist freilich auch in Deutschland wenig übriggeblieben. Im den meisten anderen Kulturen Europas ist „Ordnungspolitik“ noch schwerer zu vermitteln. Es gibt noch nicht einmal im Englischen ein passendes Wort dafür. Im französischen noch weniger.
Zwischenfazit: Beide Vorschläge, die französischen und die deutschen, gehen weiter als die der fünf Präsidenten der EU. Sie entsprechen stärker der Vision eines europäischen Bundesstaats, wenn auch eines jeweils sehr unterschiedlichen: eines eher planwirtschaftlichinterventionistischen oder eines eher marktwirtschaftlich-ordnungspolitischen. Beide Vorschläge würden zudem Vertragsveränderungen erfordern! Wie gehabt: „Pandora’s Büchse“. Eine einstimmige Zustimmung aller 28 Mitgliedstaaten zu dem einen oder anderen Modell einer europäischen Wirtschaftsregierung oder Wirtschaftsverfassung ist völlig illusorisch. Bestenfalls käme es wie bisher zu einer typisch „europäischen Lösung“ mit unklar definierten Elementen aus beiden Modellen.
Beide (und beliebige Kombinationen beider) verlangen zudem eine demokratische Legitimation nicht nur der Vertragsänderung selbst, sondern auch des Vollzugs einer Verlagerung zentraler Elemente bisher nationalstaatlicher Ausübung von Souveränität. Das dürfte sogar in Deutschland schwierig werden.
Hier galt bisher mehr als anderswo ein „permissive consensus“: die freundliche, eher uninteressierte Bereitschaft hinzunehmen, was die politische Klasse in Sachen europäische Integration beschloss. Infolge der EU-Rettungspolitik ist dieser „permissive consensus“ aber in Deutschland weitgehend erodiert; ebenso wie in Griechenland, wo er einst bestand, und anderswo.
Und: es gibt noch Richter in Karlsruhe! Das Bundesverfassungsgericht hat widerholt festgestellt, dass die EU kein Bundesstaat werden dürfe, solange das Grundgesetz gelte. Ein Beitritt zu echten „Vereinigten Staaten von Europa“ müsse direktdemokratisch legitimiert werden. Dafür sieht das Grundgesetz einmalig eine bundesweite Volksabstimmung vor.
Es geht um Souveränität; und Kernbestand staatlicher Souveränität ist das Budgetund Steuerrecht. Im „ESM-Urteil“ aus Karlsruhe ist zu lesen:
„Eine notwendige Bedingung für die Sicherung politischer Freiräume im Sinne des Identitätskerns der Verfassung … besteht darin, dass der Haushaltsgesetzgeber seine Entscheidungen über Einnahmen und Ausgaben frei von Fremdbestimmung seitens der Organe und anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union trifft und dauerhaft ‚Herr seiner Entschlüsse‘ bleibt“
In seinem „OMT-Urteil“ von 2014 hat das Bundesverfassungsgericht dies bekräftigt und schon beim unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB eine „rote Linie“ ziehen wollen. Nun ist das mit den „roten Linien“ aus Karlsruhe so eine Sache; am Ende haben sich diese noch immer als recht „flexibel“ herausgestellt. Die Pläne der fünf EU-Präsidenten sind vielleicht noch hinreichend vage. Solange deutsche Budgetbelastungen in ihrem Umfang begrenzt bleiben und der ausdrücklichen Zustimmung des Bundestags unterliegen, dürfte noch Einiges in Richtung Fiskalunion möglich sein.
Anders ist es mit bundesstaatlichen „Visionen“, nach denen EU-Organe eigene Steuerkompetenzen erhalten und Schulden, Arbeitslosenversicherungen oder Spareinlagen „vergemeinschaftet“ werden sollen. Auch der Verfassungsjurist diFabio betont das Budgetrecht als „Kronjuwel des Parlaments“, das nicht „verpfändet“ werden darf.
Zudem gilt auch auf europäischer Ebene der Schlachtruf der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung: “no taxation without representation“. Der Verweis auf das EUParlament oder ein neues „Eurozonen-Parlament“, das in einer „echten“ Fiskalunion über eigene Steuern und Aufgaben einer Art europäischen Finanzausgleichs verfügen oder nationale Haushaltspläne korrigieren soll, reicht dann nicht mehr.
Denn hier mangelt es an einem weiteren zentralen demokratischen Prinzip: „One man, one vote“. Bekanntlich hat die Stimme eines Maltesers bei Europawahlen über elf Mal mehr Gewicht als die einer Deutschen. Im Unterhaus eines „echten“ Bundesstaats, der weitreichende verteilungspolitische Kompetenzen und am Ende auch KompetenzKompetenz beanspruchen würde, wäre so etwas nicht mehr haltbar.
Auch hierzu ist das „Lissabon-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts deutlich genug:
„Das Europäische Parlament ist … kein Repräsentationsorgan eines souveränen europäischen Volkes. Dies spiegelt sich darin, dass es als Vertretung der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kontingenten von Abgeordneten nicht als Vertretung der Unionsbürger … nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt ist“.
Um in einem „echt“ demokratischen one-man-one-vote Parlament der EU die nationalen Parteipräferenzen überhaupt noch einigermaßen abbilden zu können, müsste man die Zahl der Abgeordneten zumindest verzehnfachen und käme dann auf etwa 7500 Abgeordnete. Ob sich die EU-Föderalisten dies schon einmal überlegt haben? Sie mögen weiter auf die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit, „Identität“ und „Solidarität“ und damit auch einheitlich auftretende und untereinander konkurrierende paneuropäische Parteien setzen. Das wird aber sehr lange dauern, wenn es überhaupt gelingt. Derzeit zeigen die Trends eher in die umgekehrte Richtung.
Derweil mit europäischer Wirtschaftsregierung, Fiskalunion und Ähnlichem einfach schon einmal zu beginnen in der Hoffnung, dass ein europäischer Demos einem vorauseilenden Quasi-Bundesstaat eines Tages nachträglich Legitimation verschaffen wird, halte ich schlicht für verwegen und unverantwortlich. Es wäre eine Strategie, das europäische Projekt durch Überdehnung zu sprengen.
Aber ich darf Sie beruhigen: dazu wird es auch wohl nicht kommen! Der Traum der Vereinigten Staaten von Europa ist vorerst ausgeträumt – auch „dank“ des Drucks der zunehmend parteipolitisch wirksam gewordenen Nationalromantik, die sich wieder in ganz Europa zeigt. Diese populistischen Kräfte von rechts und links sind freilich auch arg „falsche Freunde“ der liberalen Gegner eines europäischen Superstaats. Sie könnten ihrerseits den Alptraum eines Rückfalls in Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Protektionismus fördern.
Überhaupt: rechts oder links scheint in Europa kein sinnvoller Kompass mehr zu sein. Am sich zunehmend gleichenden rechten und linken Rand nehmen die Gegner von Freisinn, Freihandel und Freizügigkeit zu.
Aber das wäre ein anderes Referat. Ich komme zu Fazit und Ausblick.
„Europa steht vor entscheidenden Weichenstellungen“ – das hört man seit Gründung der Europäischen Gemeinschaften. Diesmal ist das Bild gerechtfertigt. Ein „Weiter so“ geht auf Dauer genauso wenig wie ein „Zurück auf Anfang“. Die EU steht vor Weichen, die erst zu bauen wären. Vorab festgelegte Fluchtwege aus der Krise gibt es nicht.
Immerhin ist klar: Es wird nicht der gesamte europäische Geleitzug der 28 (bald:27) Mitgliedstaaten in Richtung „politische Union“ fahren wollen und können. Auch weil es so viele „politische Unionen“ gibt wie politische Visionen – von denen wiederum viele schlicht unvereinbar sind.
Das mag man geopolitisch bedauern. Politisch und ökonomisch würde ich es eher begrüßen, würde wenigstens die weitere Vergemeinschaftung von Politiken auf die Willigen und Fähigen beschränkt. Das wäre noch einmal ein anderes Referat.
Eine Rückbildung der EU auf einen ökonomisch vernünftigen und legitimatorisch vertretbaren „Kern“ ist freilich aufgrund der polit-ökonomischen Sperrklinkeneffekte nahezu illusionär. Als noch der Binnenmarkt als Kern des ökonomischen Integrationsprozesses verstanden werden konnte, reichte die gegenseitige Nützlichkeit, die sogenannte „output-Legitimation“, noch aus.
Weil nun aber die Währungsunion den „harten Kern“ der Integration beschreibt, der weitere Integrationsschritte nahezu zwingend vorschreibt, ist die Lage eine andere. Das hässliche Wort der „Schicksalgemeinschaft“ hat nun eine gewisse Begründung und normative Kraft der faktischen quasi-Irreversibilität trotz erkannter Disfunktionalität.
Das Dumme ist: Wir haben keine Zeitmaschine zur Verfügung, um alte Fehler zu korrigieren. Sonst könnten wir etwa zwei konkurrierende Währungsunionen bilden und dann mal schaun: eine „Nord-„ oder „hart-„ Eurozone mit ordoliberaler Wirtschaftsverfassung und (meinetwegen) eine „Süd-„ oder „soft-„ Eurozone mit interventionistischer Wirtschaftsregierung.
Stattdessen erwarte ich ein andauerndes Krisenmanagement der Eurozone, nicht deren baldige Auflösung; aber auch nicht eine wirkliche Lösung der meisten Probleme. Im besten Fall zeigen die Maßnahmen der fünf Präsidenten eine gewisse Wirkung – obwohl eine Rückkehr der Marktsignale, die derzeit von der EZB ausgeschaltet werden, wirksamer wäre als neue politische Pakte.
Im schlimmsten Fall könnte es zu einer toxischen Kombination einiger der folgenden Szenarien kommen:
Im besten Fall wird nichts oder wenig davon passieren. Davon geht die EU-Kommission in ihrer jüngsten Wirtschaftsprognose aus. Solange man die letzten makroökonomischen Trends schlicht extrapoliert, kann sich tatsächlich eine leichte Erholung aller europäischen Volkswirtschaften ergeben.
Die Frage ist nur, ob die beliebte Annahme der Ökonomen – ceteris paribus, alles andere bleibt gleich –, wirklich adäquat ist. Die akute Flüchtlingskrise kann die Annahmen ebenso radikal ändern wie eine erneute Krise des Bankensystems. In beiden Fällen ist das Vertrauen in europäische Institutionen und Lösungsansätze nicht sonderlich groß.
So bleibt mir nur am Ende nochmals Churchill zu zitieren, der auf eine wunderbare Gemeinsamkeit der Fähigkeiten von Ökonomen und Politikern hinwies:
„Politics is the ability to foretell what is going to happen tomorrow, next week, next month and next year. And to have the ability afterwards to explain why it didn’t happen“.
Referat von David Owen
Amerikanischer Journalist und Schriftsteller
Eventual Eurozone Reform and improving Russian/European relations
The EU is wisely, four months on since the UK referendum vote to leave the EU, less inclined to dismiss Brexit as an event of little significance, a matter just for the British. The EU is more likely now, in the wake of Brexit, to start to face long overdue reform. Changes needed in the Eurozone, with luck, could be under discussion by December 2019 but it again may well be postponed. Defining a core Eurozone involving a Fiscal Union and a Banking Union will have to be openly discussed, as already has been done informally by Germany and the Netherlands. Initially at least with Belgium and Austria. Even if something dire happens to the Eurozone these four countries will ensure that a small Eurozone continues. The question is who will be their partners? As for France a lot will depend on the outcome of the French elections. But for the first time, whereas it would have been automatic in the past that Germany would insist on French membership, there may not be the level of public support after the elections in Germany to include France initially.
It is very unlikely that German public opinion will accept any system of automatic money transfers to Italy even if Schauble and Merkel succeed in trying to get the ECB to stop quantitative easing by their autumn 2017 election and there is some fiscal reflation in Italy and other Eurozone countries. Other countries that would want to be part of a core Eurozone are Spain and Ireland. Finland in the past would have expected to be a member; perhaps not now. Luxembourg will want to participate but they, Ireland, Cyprus and Malta, may need to face tax haven questions first as it is very undesirable that any unacceptable practices should be inherited by a new Fiscal and Banking Union. Other small Eurozone countries might technically manage the disciplines but I have not attempted to identify them and the decisions are anyhow for the core Eurozone countries to take.
The core Eurozone countries cannot throw a number of countries out of the Eurozone given the practical politics of the EU. What they can do is make them ineligible to be part of a core because of the way that core has fixed the initial criteria for a Fiscal and Banking Union. The weakest economies would become more vulnerable to speculative moves aimed at destabilising some of their economies but if they can ride out speculation they might be able to stay in the Eurozone even though they were not protected as would be members of the core. Aware of their vulnerability and anticipating such speculation, some might prefer to leave rather than await being forced to decide to leave at a time of crisis. The best outcome would be if Italy voluntarily chose to leave the Eurozone for they would have the power to lead a serious restructuring of the EEA and ensure it was not unduly influenced by core Eurozone members. And others like Greece and Portugal might follow.
A core Eurozone will not be a North-South Eurozone in the sense of a formal geographical divide, though this may be the appearance. A divide will happen because of the design and disciplines of the core. Some countries that stay in the Eurozone and make the transition will be able to qualify to be part of the Fiscal Union and Banking Union over time. In effect this core will become a federal Europe.
The key to a core Eurozone emerging will be their use of Article 136 (1) of the Treaty on the Functioning of the EU (TFEU) which states “In order to ensure the proper functioning of economic and monetary union …the Council shall ….adopt measures specific to those Members whose currency is the euro. Article 136 (2) provides that “only members of the Council representing Member States whose currency is the euro shall take part in the vote.” So all they need is a majority within the Eurozone.
As Jean-Claude Piris argues in his book, “the scope of application of Article 136 is extremely wide, because many measures may be characterised as ‘strengthening the coordination and surveillance’ of the budgetary discipline of the states whose currency is the euro, or as ‘setting out economic policy guidelines for them’.”1 What the core introduce will legally be EU measures and the new criteria will apply to new applicants to the Eurozone. There could and should be added on transitional arrangements for helping existing Members introduce greater discipline. But inherent in this design is that some existing Eurozone countries will never be able to accept core disciplines.
The as yet unanswered question is whether the German people will give the green light or a red light to their politicians in the autumn of 2017 to save the Eurozone by developing a core Eurozone as a Fiscal Union, where financial resources move through independent decision making from the core Eurozone’s richer regions to poorer regions. It would require the members to appoint an economic head of the core Eurozone to work with the ECB. The reluctance of the French people to accept even European Commission disciplines within the present framework also needs to be faced up to in France. Juppe, of the likely French Presidents, would have the least difficulty in accepting financial discipline. But Marine Le Pen after campaigning to leave the Eurozone as part of her Presidential bid may have considerably changed the nature of the debate in France on the Eurozone.
The Eurozone crisis, oft predicted, most recently by Joseph Stiglitz2 , the Nobel Prize winner, a believer in a North-South split of the Eurozone, hovers ominously in the background. Stiglitz judges the 17-year-old monetary experiment “an economic and political disaster”. “Flawed at birth,” he argues, the “structure of the euro is to blame for the poor performance of Europe, its successive crises and increased inequality.” Far from promoting European prosperity, peace or influence, it has “tied together” countries with vastly different economic and social backgrounds, denying them the vital ability to manipulate their exchange and interest rates.
In France much will depend on whether Sarkozy or Juppe reach the second run off election widely expected to be with Marine Le Pen. Juppe looks more likely to have the same ability to draw votes from the left in France as the Gaullist, Jacques Chirac, did in the run off against Marine Le Pen’s father. But prediction based on past precedent may be misleading.
What about reform of the European Central Bank (ECB)? It is important to recognize that it is not a normal central bank because it is the central bank of a half-baked currency union. Were the ECB a normal central bank, when Greece was facing a run on its banks it would have lent, and if it thought Greek banks insolvent it would have had to recapitalise them and fund them through a properly constructed European stability mechanism. The fact that it has been inhibited from doing so at every turn in the Greek crisis is a reflection of the flawed nature of the legislation covering European Monetary Union (EMU).
Improving Russian/European Relations
Besides Eurozone reform, there is the need to face up to President Obama’s criticism that Europe is “freeloading” within NATO and the disappointing record of the European External Action Service, EEAS. This embryonic department of foreign affairs for a federal Europe was responsible for the EU/Ukraine Agreement which did so much to ignite the conflict within Ukraine challenging the diplomatic skills and the security of a wider Europe. This conflict could very easily have spilled over to engulf Europe in a war.
The danger is less now but it has not disappeared. When Putin returned as President of the Russian Federation in May 2012, after his initial two terms following the one term presidency of Medvedev. It should have been obvious that he was poised to make his presence felt across the wider Europe in the light of the policies he had developed during the five-day Georgian war of August 2008. Russian armed forces after Georgia had already been set on a path of reform and re-equipment. Putin had clearly vowed that never again was he going to be treated with a superficial friendliness by a US President like George W. Bush, but ignored on substance, something which in a different way continued under President Obama. Putin’s KGB training demands a serious and structured relationship, not necessarily adversarial but that is what has developed. Recreating the warmth associated with Gorbachev and Yeltsin will be difficult, but slowly not impossible.
It is too easy to forget that Putin had made an unprecedented offer of friendship to the United States immediately after 9/11, reinforcing this offer with concrete measures, with the unilateral announcement of the closure of bases in Cuba and North Korea but it was ignored, leaving him sore and humiliated. Putin is now suggesting that he might return to bases in both these countries as well. The port facilities Russia has had on the Mediterranean, since 1971 in Syria, was never going to be surrendered to control by forces fighting Assad. It was to protect Damascus Putin enhanced capability by building up airfields Russia had access to in Syria. Putin, as acting President after Yeltsin stood down, decided to deal with the Islamic Sunni jihad in Chechnya. The brutal destruction of Grozny was in his terms a success. Hence now Aleppo. He believes only brutal bombing achieves results with minimal casualties to his own military. Yet he will continue to bomb ISIS because they want a Sunni caliphate which is a threat to Russia. He has cooperated with Shia forces from Hezbollah and Iran in Syria while talking to Israel and Arab countries. The policy on his terms has succeeded and if Iran has a continuous land route to the Mediterranean he still believes he can be a player in brokering a peace of sorts between Israel and the Palestinians.
Putin’s Kremlin watched with apprehension NATO and then the EU coming right up to the borders of the Russian Federation. From May 2004 Poland, Hungary, the Czech Republic, Slovakia and Slovenia, the last mentioned formerly part of Tito’s Yugoslavia, had come into the EU, as had the three Baltic states, Estonia, Latvia and Lithuania. Russia is not like the USSR, it now has a market economy that is not likely to disappear. But there is less and less enthusiasm in the US for working constructively with Russia on economic questions. This is not another Cold War but it has been called a ‘Hot Peace’.
The EU needs to accept that the EU/Ukraine Association Agreement in 2014 was a trigger for the Russians’ military involvement in East Ukraine and the Crimea. They chose to regard it not without reason as a substitution of an EU defence policy for Ukraine where NATO was declining to go. The more that agreement is examined in detail the more concern it will generate in EU countries. That Agreement was voted down in 2016 in a low poll referendum in the Netherlands. The Dutch daily De Volkskrant on 22 October reported that Mark Rutte, Prime Minister of the Netherlands, is upholding his threat to refuse to ratify the EU-Ukraine Treaty, in accordance with the referendum result and is seeking an opt-out on military cooperation with Ukraine and a guarantee against allowing Ukrainian EU membership and free movement of people.
Russia needs to recognize that the annexation of Crimea and boundary change for the Russian Federation cannot be accepted other than within a negotiated regional settlement and having some regard to the Budapest Memorandum which was signed by the UK, with the US and Russia, in 1994. The signatories to that agreement reaffirmed ‘their obligation to refrain from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of Ukraine’. Even as recently as 4 December 2009 the US and Russia confirmed these assurances and recorded them at a meeting.
The EU/Russian relationship is deteriorating as economic sanctions have been renewed again and some on both sides of the Atlantic want sanctions toughened. Renzi, however, the young Italian Prime Minister resists, a vestige of Berlusconi’s warm relationship with Putin but a position also rooted in post-war Euro Communism. Before the US, Germany and France go down this route of harsher economic sanctions we need all of us to learn from past mistakes and start a negotiation which should take as its starting point the Budapest Memorandum. Hopefully the Permanent Five on the Security Council plus Germany could agree terms of reference for such a negotiation.
The memorandum issued from Budapest was designed to reassure Ukrainian public opinion. The signatories, UK, US and Russia, France signed separately, to that agreement reaffirmed ‘their obligation to refrain from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of Ukraine’. Even as recently as 4 December 2009 the US and Russia confirmed these assurances and recorded them at a meeting. Ukrainian public opinion was challenging the decision that 4,000 strategic and tactical nuclear weapons should be transferred from the Ukraine to Russia, in addition to 1,900 strategic nuclear warheads – a larger arsenal than Britain, France and China combined. Also included were 130 SS-19 ICBMs, 46 SS-24 ICBMs and 44 strategic bombers with hundreds of air-launched cruise missiles.5 The annexation of Crimea by Russia in 2014 may be cited not just by Ukrainians, but elsewhere in the world, for decades to come as the vindication for those who believe ‘if you have nuclear weapons never give them up and if you have not got nuclear weapons find a way of getting some’. That doctrine, if it takes root, has profound dangers to the whole Non Proliferation Treaty.
Negotiating Objectives for P5 +1
There can be no guarantee this regional negotiation covering all disputed boundaries can even start, let alone succeed. But a starting point would be the prescient wisdom of the American diplomat, George Kennan, about Russia and NATO which was said in an interview with Thomas L. Friedman of the New York Times on 2 May 1998 when Kennan denounced the form of NATO expansion that had just been agreed by the US Senate:
“I think it is the beginning of a new Cold War. I think the Russians will gradually react quite adversely and it will affect their policies. I think it is a tragic mistake. There was no reason for this whatsoever. No one was threatening anybody else. This expansion would make the Founding Fathers of this country turn over in their graves. We have signed up to protect a whole series of countries, even though we have neither the resources nor the intention to do so in any serious way. [NATO expansion] was simply a lighthearted action by a Senate that has no real interest in foreign affairs.”
Meanwhile a new EU defence posture formally held back until after the UK referendum was launched in the summer of 2016 and a EU military HQ heralded in the German defence paper3 will be added against British advice. I see no point in the UK threatening to block this undesirable development. It can, anyhow, be introduced through the enhanced cooperation mechanism with the EU Treaties. So it makes good sense for the UK to reinforce its NATO commitment as part of a staged exit from the EU sooner rather than later and to leave the European External Action Service, EEAS, by agreement in 2017. The UK should agree to dedicate that EEAS saving to NATO on top of the UK’s pledged 2% of GDP contribution so that all of Europe will benefit and not just the UK.
Leaving the EEAS by agreement now is a far better option than blocking EU defence as the UK Secretary of State for Defence unwisely promised to do for the next few years until Article 50 negotiations are completed. Already quite sensibly the other 27 EU states met at Bratislava without the UK and that is planned to continue. Far better a fair and square deal in stages and taken over months rather than a shotgun arrangement on a cliff edge in two to three years time.
Only in a revived NATO, where European countries are no longer as President Obama rightly accused us of being ‘freeloaders’, and we make a greater financial contribution, will Europe redress the imbalance between us and President Putin’s Russian Federation. The UK’s priority outside the EU and the EEAS will now be to strengthen the Atlantic alliance. Over the next 4 years besides adding the present UK EEAS budget to our contribution to NATO we will need to move as quickly as we can to devoting 2.5% of GDP to NATO to be seen as serious. The UK should also continue to spend the £2 billion on Eastern Europe we do at present and in other ways help the political stabilisation of the wider Europe. In leaving the EU the UK should demonstrate its continued goodwill with a readiness to increase spending with some coming from the DFID budget. When the EU recognizes that the UK is even more committed to European stability as well as security then Brexit will be seen in a different light as strengthening the wider Europe.