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17.10.2019
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Zunfthaus zur Meisen, Zürich

49. Economic Conference

Social Scoring – Wo stehen wir?

Ron Deibert

«Social Media, Digital Surveillance and the Threats to Liberal Democracy»

Christoph Frei

«Technologie 5.0 – Politik 1.0»

Das Thema der 49. Wirtschaftskonferenz der Progress Foundation lautete „Social Scoring – wo stehen wir? Die beiden Referenten brachten sehr unterschiedliche Perspektiven ein.

Prof. Ron Deibert zeigte eindrücklich auf, über welche technischen Mittel der Staat verfügt (und diese auch einsetzt), um unliebsame Personen wie Aktivisten, Journalisten und Oppositionelle zu überwachen, zu manipulieren und deren Mediennutzung auf vielfältige Weise zu behindern.

Prof. Christoph Frei vertrat die nicht unumstrittene und in jedem Fall missbrauchsanfällige These, dass man bei der Beurteilung von Staaten nicht nur die institutionelle und prozedurale Legitimität, sondern auch die Output-Legitimität, d.h. das (wirtschaftliche) Wohlergehen der Bevölkerung, berücksichtigen muss.

Referat von Ronald Deibert

Kanadischer Politikwissenschaftler und Direktor des Citizen Lab, Universität Toronto

Deibert verfolgt weltweit, wie Informations- und Kommunikationstechnologien unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit eingesetzt werden, um Macht zu sichern – auch in Demokratien.

In seinem Referat zeigte Deibert, dass viele Staaten heutzutage systematisch Spionagesoftware einsetzen – auch zur Überwachung von missliebigen Personen. Menschenrechtsaktivisten, Journalisten oder oppositionelle Politiker geraten so ins Kreuzfeuer der regierenden Macht. Deibert veranschaulichte an konkreten Beispielen, wie mit spezieller Software versucht wird, Zugriff auf die Computer und Handys der Zielpersonen zu erlangen.

Hätten zuerst viele Leute gemeint, durch Big Data werde das Internet demokratisiert, zeige sich jetzt, dass die neuen Technologien auch zur Unterminierung der Demokratie verwendet würden, meinte Deibert. Dieser zunehmende Einsatz von Spionagesoftware sei nicht nur deshalb gefährlich, weil dadurch die Freiheit eingeschränkt werde. Vielmehr stelle er eine Bedrohung der Demokratie dar. In immer mehr Staaten entwickelten sich autokratische Züge und die international weitgehend noch völlig ungeregelte Verwendung von Spionagesoftware erlaube es antidemokratischen Kräften, mit relativ wenig Aufwand (bspw. auf sozialen Medien) Desinformationen zu verbreiten.

Hier finden Sie die Folien von Ronald Deiberts Präsentation:

Folien

Referat von Christioph Frei

Professor für Politikwissenschaft und internationale Beziehungen, Universität St. Gallen

Christoph Frei referierte über die Struktur und Rolle staatlicher Institutionen angesichts der heutigen globalen Herausforderungen. Frei betonte die Notwendigkeit, die bestehenden staatlichen Strukturen zu hinterfragen und sie auch an ihrer Leistungsfähigkeit bzw. Problemlösungsfähigkeit zu messen.

Der klassische Nationalstaat als ein Monopol legitimer physischer Gewalt sei die erfolgreichste Staatsorganisation der Geschichte gewesen, erklärte Frei. Heute befänden wir uns jedoch in einem anderen rechtlichen und ökonomischen Umfeld als im 19. Jahrhundert, als die meisten westlichen parlamentarischen Republiken entstanden. Die Globalisierung und die Öffnung von Wirtschafts- und Rechtsräumen führe zu einer Relativierung des Begriffs der Staatsgewalt. So habe die Schweiz über 4000 verschiedene völkerrechtliche Verträge abgeschlossen und mit jedem von ihnen immer freiwillig auch ein Stück Souveränität abgegeben.

Man dürfe Staaten nicht nur anhand der Legitimität ihrer Institutionen und Verfahrensweisen beurteilen, sondern müsse sich auch fragen, wie es um ihre Outputlegitimität stehe. Trotz der globalen Veränderungsprozesse und des rasanten Wandels im Bereich der digitalen Technologien seien die staatlichen Institutionen immer noch auf demselben Stand wie im 19. Jahrhundert. Deshalb müsse man die bestehenden Strukturen hinterfragen und sie vor allem auch anhand ihrer Leistungsfähigkeit bzw. Problemlösungsfähigkeit beurteilen. Die klassischen staatlichen Organisationsformen auf nationalstaatlicher Ebene, aber auch auf internationaler Ebene (bspw. die UNO) hätten nicht wirklich bewiesen, dass sie in der Lage sind, komplexe Probleme adäquat zu lösen.

Hier finden Sie eine Zusammenfassung und die Folien von Christoph Freis Präsentation:

Zusammenfassung
Folien