Kaum ein Tag vergeht, ohne dass Donald Trump mit neuen Überraschungen aufwartet. Er hält die Welt im Atem. Ob aller Hektik ist es nicht einfach, grosse Linien zu erkennen. Dies auch, weil er seine Meinung oft ändert und – absichtlich oder auch nicht – Verwirrung stiftet. Wir werden noch eine Weile mit diesem Hüst und Hott leben müssen, und die Kunst wird darin liegen, im Durcheinander die wichtigen Eckwerte und Tendenzen zu erkennen.
Als Ökonomen schauen wir am liebsten auf die Märkte. Denn im Gegensatz zu Meinungsumfragen, die für die Befragten ja folgenlos sind, kommen Marktpreise unter der Restriktion zweier entgegenstehender Ansichten zustande. Eine Seite wird verlieren, und das wissen beide Parteien im Voraus. Entsprechend vorsichtig handeln sie.
Fokussierte Bondhändler
Die mentale Vorwegnahme eines möglichen Verlusts (und natürlich auch Gewinns) bewirkt einen enorm hohen Informationsgehalt von Marktpreisen. Das müsste auch für die Beurteilung einer ziemlich ungewöhnlichen amerikanischen Präsidentschaft Gültigkeit haben.
Was sagen die Märkte zu Trump? Nun, das Bild ist uneindeutig. Leider, möchte man nachschieben. Vielleicht aber auch zum Glück. Gehen wir der Sache nach. Schauen wir zunächst auf die Obligationenmärkte. Der Informationsgehalt von Bondpreisen ist nämlich besonders hoch.
Denn Bondhändler und -besitzer haben nur eine einzige Grösse, die sie für die Preisbildung zu berücksichtigen haben: die Rückzahlungswahrscheinlichkeit. Wenn sie aus wirtschaftlichen oder fiskalischen Gründen sinkt, dann steigen die Renditen, weil die Käufer höhere Risikoprämien sehen wollen. Wenn die Renditen steigen, sinken die Kurse von Obligationen. Simpler geht’s nicht mehr.
Bondmärkte sind deshalb ein Seismograph für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen und immer mehr auch von Staaten. Mehr als ein blaues Auge bekamen im Jahr 2022 die kurzzeitige britische Premierministerin Liz Truss und ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng ab, als sie ihre Pläne für massive Steuersenkungen und eine damit einhergehende zusätzliche Verschuldung sowie eine darauf basierende Wachstumsstrategie präsentierten.
Die Hunderttausende, vielleicht Millionen von Beobachtern der britischen Bonität, allesamt verlustavers, stuften damals die Rückzahlungswahrscheinlichkeit deutlich tiefer ein. Die Bondpreise und das Pfund kamen ins Taumeln, die beiden Politiker mussten zurücktreten und einem Technokraten Platz machen.
Seither spricht man von einem Liz-Truss-Moment, wenn die Politik zu waghalsig wird. Was angesichts des Schuldenstands rasch geschehen kann. Einige europäische Länder konnten sich bislang dank der impliziten Garantie des Eurosystems knapp vor der Pleite retten. Diese Garantie basiert auf der hohen Bonität Deutschlands, solange das noch zutrifft.
Nicht nur die britische Krone, auch die amerikanische Nation ist hoch verschuldet. Der Markt mit Schuldpapieren des US-Treasury ist unübersehbar gross. Noch viel mehr Beobachter als beim Pfund achten täglich, stündlich und sekündlich darauf, ob sich an der Rückzahlungswahrscheinlichkeit von US-Staatsanleihen nichts ändert. Denn sie alle wollen kein Geld verlieren.
Das weiss auch die amerikanische Regierung, und vor allem weiss das auch der Immobilienhändler Trump. Wenn er etwas in seinem Leben verstanden hat, dann sind es Marktpreise. Er weiss auch, dass genau dort seine furchtbare Achillesferse liegt. Entblösst er sie oder eines seiner famosen Regierungsmitglieder und kommen die Bondmärkte ins Trudeln, dann ist es um sie alle geschehen.

Am «Liberation Day», als in völliger semantischer Verkehrung das neue Zollregime verkündet wurde, gab es ein erstes Lebenszeichen vonseiten der Bondmärkte. Aber mehr als ein Hick-up, ein «Hallo, da sind wir!» war es nicht. Trotzdem reagierte Trump fast panikartig und nahm einen Teil seiner Zollbeschlüsse zurück. Ein Liz-Truss-Moment war das gewiss noch nicht, auch wenn die Trump-Gegner bereits ein wenig zu jubeln begannen.
Dazu braucht es mehr. Zum Beispiel die Evidenz, dass das neu besetzte statistische Amt der USA systematisch geschönte Daten liefert. Und die Erkenntnis, dass die darauf basierende Geldpolitik der USA deutlich zu lasch wurde. Zu tiefe Inflationszahlen beispielsweise.
Irgendetwas, was durch neue Lügen nicht mehr geheilt werden kann. Das ist nicht unwahrscheinlich. Ich selbst würde dafür schon heute mal eine zusätzliche Risikoprämie für Treasury Bills verlangen.
Also: Die Bondmärkte sind derzeit wachsam abwartend. Wir dürfen gespannt bleiben. Denn ein US-Dollar-Bondcrash würde ein globales Erdbeben mit unabsehbaren Folgen verursachen.
Multioptionaler Aktienmarkt
Und die Aktienmärkte? Weshalb sind sie bislang so freundlich-friedvoll? Auch dort will niemand durch Fehlbeurteilung verlieren. Aber sie sind eben völlig anders geartet als die Bondmärkte. An den Aktienmärkten wird nicht auf eine einzige Grösse geachtet. Aktien spiegeln die Realoptionen der Unternehmen, auf die sie bezogen sind. Multioptionaler geht nicht.
Der Informationswert bei Aktienkursen liegt in der Beurteilung des künftigen Cashflows der spezifischen Unternehmen, und der wiederum basiert auf einer Vielzahl von Fakten, Tendenzen und Wahrscheinlichkeiten ihres künftigen Eintretens. Trump ist gewiss eine Einflussgrösse, aber nur eine unter ganz vielen.
Die Aktienmärkte lieben deshalb Trump nicht, aber vielleicht lieben sie derzeit die Wahrscheinlichkeit immenser Produktivitätsgewinne als Folge der künstlichen Intelligenz. Und tendieren deshalb insgesamt so freundlich in weltpolitisch garstigem Umfeld. Fazit: Der einzig gültige Gradmesser für Erfolg oder Misserfolg der Regierung Trump sind die Bondmärkte. Alles andere ist Plauderei.
Dieser Artikel erschien am 30. August 2025 in der «Finanz und Wirtschaft». Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.