Close
  • En
    En
Aufgegriffen
icon
31.03.2025

Zeitgeistig bis zum Umfallen

Bis vor kurzem war ESG für Unternehmen Pflicht - jetzt schlägt das Pendel zurück.

Konrad Hummler
Private Client Letter

Wie schnell sich die Zeiten doch ändern! Bis vor kurzem wurde von den Unternehmungen noch gefordert, über ihre Errungenschaften im ESG-Bereich ausführlich zu rapportieren. Also dem hoffentlich interessierten Publikum mitzuteilen, welch grossartige Leistungen man – nebst dem unvermeidlichen wirtschaftlichen Erfolg – für die Umwelt, für die Gesellschaft und für die Verantwortlichkeiten in der Betriebsführung erbringe. Es war wunderbar zu beobachten, wie diese «weichen» Teile in den Geschäftsberichten zulegten und wie geduldig Papier (und natürlich auch Internetseiten) in Bezug auf solche Erfolgstories sein kann.

Dahinter stand eine ganze, neue Industrie von letztlich wenig produktiven Kadermitarbeitern, Beratern und Auditoren, die solche Themen zu bewirtschaften hatten. Ihr Mengenwachstum im Personalbestand war beträchtlich, die Saläre satt bemessen und ihr Störpotential in der Unternehmung beträchtlich. Denn sie lenkten im Wesentlichen von der eigentlichen Aufgabe ab: Gewinn zu erwirtschaften. Kryptomarxistische Stosstrupps zur langsamen Eroberung Troyas, gegen die kein Kraut gewachsen war. Denn sie konnten sich mit dem gängigen Zeitgeist tarnen, dem Wokismus. Spätestens nach dem Auftritt von Greta Thunberg am Davoser WEF konnte man es sich kaum mehr leisten, ESG nicht auf die eine oder andere Weise gebührend zu berücksichtigen

Und nun das: Die neuerdings in Washington tätigen Grobiane zerschlagen ohne jede Differenzierung das feine zeitgeistige Gerüst, erzeugen damit bei sehr vielen zunächst einmal das grosse Aufatmen, denn es wird schonungslos mit Scheinheiligkeit aufgeräumt. Das wohl macht ja den bisherigen Erfolg der neuen Administration aus: dass ganz viel Überfälliges und völlig aus dem Ruder Gelaufenes weggewischt wird. Ersatzlos gestrichen.

Der skeptische Beobachter war misstrauisch, als die ESG-Welle über die Welt schwappte, denn er traute der Willfährigkeit in den Chefetagen nicht beziehungsweise vermutete abgrundtiefe Hypokrisie, wo, wenn schon, Ehrlichkeit am Platz gewesen wäre. Denn das «G» von ESG steht ja für Governance, und diesbezüglich hätte die Wahrhaftigkeit am ersten Platz stehen müssen. Die im Zuge des Wokismus aufgebauten Unternehmensbereiche und die darauf basierende Publizität zeugen von Feigheit: nur keine Konfrontation mit dem Zeitgeist, da nehmen wir lieber ein paar zusätzliche Kosten zulasten des Aktionärs in Kauf!

Auch der nunmehr geübte teilweise oder ganze Verzicht auf ESG-Themen ist feiger Natur. Nur keine Konfrontation mit dem neuen amerikanischen Regime! Es geht nicht um Überzeugungen, sondern um Risikominderung. Der skeptische Beobachter rümpft die Nase.

Vielleicht lautet die Moral der Geschichte aber auch so: Unternehmungen sollten keine Meinung haben. Das sollen sie besser den Bürgern überlassen. Mehr Gelassenheit in Führungsetagen, auch und gerade dann, wenn der Zeitgeist wieder einmal wild um sich schlägt. Merken wir es uns.

Und noch etwas, bedeutend ernster: Die Willfährigkeit gegenüber zeitgeistig-woken Anliegen entsprach einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Bevorzugung von Stakeholdern («Benachteiligte» aller Art) gegenüber dem Shareholder, dem Eigentümer. Der Richtungswechsel des Pendels war überfällig. Die wichtigste, vielleicht einzige «corporate social responsibility» einer Unternehmung liegt in der Erwirtschaftung von Gewinn. Punkt.

Dieser Beitrag erschien am 31. März 2025 im Private Client Letter und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Autors wiedergegeben.