Die meisten Auguren hatten sich ja wirklich gründlich verschätzt. Nur ganz wenige sagten einen derart klaren Wahlsieg Donald Trumps voraus. Das «Juste Milieu», die selbstgerechte, selbsternannte politische Kaste dies- und jenseits des Atlantiks, verharrt bis heute im Wunschdenken, dass alles doch noch wie ein böser Traum vorübergehe. Wird es aber nicht. Trump hat wesentliche Ernennungen getätigt und Themen gesetzt. Der Einfluss des unternehmerischen Extrembergsteigers Elon Musk wird von Tag zu Tag deutlicher. Man muss sich auf wesentliche Veränderungen gefasst machen, wie zähe die dinosaurierhafte US Administration sich am Ende auch gebärden wird. Immerhin sind heute schon Konturen sichtbar.
So wird die neue US-Regierung rasch den Zeitgeist von «Wokismus» und Diversity-Übertreibungen zu wenden versuchen. Sie hat dabei die Volksmassen im Rücken, ja selbst früher einmal klar benachteiligte Schichten der Gesellschaft. Donald Trump profitierte von ihren Stimmen, denn sie waren von den demokratisch beherrschten Eliten an den US-Universitäten enttäuscht. Schmerzfrei wird der Abschied vom politisch korrekten Denken und Reden aber nicht sein. Denn die Medien sind mehrheitlich anders gepolt. Und sehr viel Geld floss und fliesst zu NGOs und Instituten mit einschlägiger Thematik. Kampflos wird solch einträgliches Terrain gewiss nicht geräumt, und mit «Benachteiligten» lässt sich trefflich kämpfen. Tektonische Verwerfung Nr. 1, Brennpunkt: Universitäten.
Eine zweite tektonische Verwerfung ergibt sich aus der projizierten Ausgabe- und Wirtschaftspolitik. Zwar soll auf Seiten der Verwaltung gespart werden; Elon Musk wurde dazu frühzeitig in Position gebracht. Aber wenn es um die US-Wirtschaft geht, so will man zu einer Industriepolitik nach altem Schrot und Korn zurückkehren, das heisst zur Begünstigung eigener Produktion vor Gütern aus dem günstigeren Ausland. Mit Zöllen (und nichttariflichen Einschränkungen) soll diesem für Trump wichtigen Anliegen Nachdruck verliehen werden. Das Problem: Damit kann die Inflation, soeben etwas gebändigt, zurückkehren. Der tektonische Graben verläuft hier zwischen Regierung und Notenbank Fed, zwischen Trump und Powell. Wenn letzterer verliert, was wahrscheinlich ist, wird ein nachgiebigerer Gouverneur die geldpolitischen Zügel noch stärker lockern. Solches hätte dann das Potenzial zu Verwerfungen an den Bondmärkten.
Bleibt, drittens, der US Dollar als solcher. Er wurde von den Regierungen jeglicher Couleur über die letzten Jahre zunehmend als Mittel zur Erreichung politischer Ziele eingesetzt. Sanktionen mit Kapitalverkehrseinschränkungen hier, Einfrierung bislang unantastbarer Vermögen da, Transaktionskontrollen überall: die Weltwährung mit Monopolcharakter wurde zusehends häufiger ge- oder, wenn man will, missbraucht. Nun wird es spannender, denn die neue Regierung Trump (und hinter dem Einflüsterer Musk wohl halb Silicon Valley) möchte auch Kryptowährungen gewähren lassen. Regierungsgeld als Druckmittel und freies Ausweichgeld – das widerspricht sich. Bis jetzt war nichts beständiger in der US-Politik als der feste Wille, das Weltwährungsmonopol zu verteidigen. Denn nur so ist das gigantische US-Defizit finanzierbar.
Freiheitliche politische Systeme sorgen in aller Regel für einen gewissen Ausgleich. Deshalb liebe ich solche und andere denkbare tektonischen Verwerfungen. Sie werden zu pragmatischen Antworten zwingen, auch und gerade die neue Regierung von Donald Trump, so entschieden sie sich auch heute gibt. Der Alltag wird anders sein.
Dieser Beitrag erschien am 1. Januar 2025 im Private Client Letter und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Autors wiedergegeben.