Loriot brachte es schon vor vielen Jahren auf den Punkt: Im liberalen Sinne heisst liberal nicht nur liberal. Heute ist das Etikett «liberal» tatsächlich für alle da, die sich mit ihm schmücken wollen, ganz gleich, welche politischen Ziele sie verfolgen.
Allerdings ist man heute nicht einfach nur liberal. Heute ist man spezifisch oder selektiv liberal, also sozialliberal, grünliberal, linksliberal, neoliberal, urliberal. Oder man ist gesellschaftsliberal, was keineswegs bedeutet, dass man auch wirtschaftsliberal wäre. Was diese Begrifflichkeiten bedeuten, welche Ideengeschichte jeweils dahintersteckt – falls es überhaupt eine gibt –, welche politischen Anliegen damit verbunden sind und ob man auch nur ein bisschen liberal sein kann, ist heute so schwer zu beantworten wie ehedem. Sicher ist nur eines: In der Politik heisst liberal nicht nur liberal. Denn auch der feste Glaube an den segenbringenden Staat gilt heute als liberal.
Nur so ist zum Beispiel zu verstehen, dass sich staatliche Gleichstellungsbüros, die «Feminismus von oben» betreiben, selber in der liberalen Tradition sehen. Die Gleichstellung oder, besser gesagt, die ökonomische Unabhängigkeit der Frauen sei doch ein «urliberales Anliegen», lässt eine langjährige Gleichstellungsbeauftragte die Leserschaft des «Tages-Anzeiger» wissen. Wer urliberal ist, so die Schlussfolgerung, muss deshalb gegen die Schliessung solcher Büros sein, auch wenn die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter längst erreicht ist. Denn der Weg hin zur «tatsächlichen» Gleichstellung ist scheints noch weit.
Man mag es seltsam finden, dass ausgerechnet die Chefin einer solchen Amtsstube den Urliberalismus zu ihrem Zeugen macht. Gleichwohl muss man der Büroleiterin rechtgeben: Die ökonomische Unabhängigkeit der Frau ist ein urliberales Anliegen. Aber das ist nur die Hälfte des Gedankens. Denn urliberal ist es auch, nicht für jedes Problem und schon gar nicht für die ökonomische Unabhängigkeit den Staat anzurufen, ein Büro aufzumachen oder neue Gesetze zu erlassen. Urliberal ist es, das eigene Fortkommen selber in die Hand zu nehmen.
Im Zeitalter der vollendeten rechtlichen Gleichstellung der Frauen braucht eine Frau mit urliberalen Ansprüchen jedenfalls kein staatliches Gleichstellungsbüro, um ihre ökonomische Unabhängigkeit zu erreichen. Eine Frau zu sein ist heute weder in der Aus- und Weiterbildung, noch auf dem Arbeitsmarkt, noch in der Zivilgesellschaft und schon gar nicht beim Staat, an der Universität oder im Kulturbetrieb ein Nachteil, ganz im Gegenteil. Was eine Frau zur Erreichung ihrer ökonomischen Unabhängigkeit braucht, ist allem voran Leistungswillen und einen liberalen Arbeitsmarkt.
Staatliche Gleichstellungsbüros taugen nicht zum liberalen Think Tank. Das Konzept von der «tatsächlichen» Gleichstellung mit seinen Quotenzielen für lukrative Positionen riecht nach Plan- und Privilegienwirtschaft. Der Liberalismus hingegen ist im Kern eigentlich nichts anderes als ein Kampf gegen solche Privilegien – aber eben nur im wahrhaft liberalen Sinne.
Diese Kolumne ist ein Auszug aus dem Buch „Weder lechts noch rinks“ und wird hier mit freundlicher Genehmigung der Autorin veröffentlicht.