Die Schweiz sei für ihn ein demokratisches Vorbild, wie ein kleines und altes Europa, sagte Joachim Gauck, als er 2014 als Bundespräsident die Eidgenossenschaft besuchte. „Ich wünschte mir sehr, dass die Schweiz als eine Stimme in Europa dabei ist.“ Heute ist klar: Dieser Wunsch geht in absehbarer Zeit nicht in Erfüllung. Die Schweizer Regierung hat jüngst den Rahmenvertrag versenkt, der das Land näher an die EU herangeführt hätte. Wer das verstehen will, sollte das Buch „Die Schweiz hat Zukunft“ von Gerhard Schwarz lesen. Der Volkswirt leitete viele Jahre die Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung und führte danach die liberale Denkfabrik Avenir Suisse.
Der gebürtige Österreicher Schwarz erklärt die Eidgenossenschaft, die im Vergleich zu den Nachbarstaaten von einer Reihe institutioneller Eigenarten geprägt ist. Ihr System preist er nicht nur als erfolgreich, sondern auch als in hohem Maße zukunftsfähig an. Das genossenschaftliche Staatsverständnis, dass auf Selbstbestimmung, Selbsthilfe und Selbstverantwortung aufbaue, verhindere, dass man sich in eine von oben vorgegebene Ordnung einreihe. Die Bürger entwickelten ihre Landesverfassung unmittelbar selbst per Volksentscheid weiter. Die politischen Verfahren sind dabei nicht ohne Probleme, es kommt systematisch zu institutionellen Blockaden.
Schwarz macht detaillierte Vorschläge, wie sich das ändern ließe. Grundsätzlich aber, so hält er fest, hat die Schweiz dank der Schwarmintelligenz der direkten Demokratie – die durch den ausgleichenden Einfluss des Parlaments allerdings nur eine halbdirekte Demokratie ist – seit dem Zweiten Weltkrieg keine größeren Dummheiten begangen.
Als weiteren Grund für die Stabilität im Land führt er den „Non-Zentralismus“ an. Nur ein Föderalismus bis hinunter auf die Ebene der Gemeinden kann eine Nation zusammenhalten, die durch so viele grundlegende Unterschiede der Religion, Kultur, Sprache, Geografie und Topografie geprägt ist. Die „positive Kraft der Eigenart“ so der Untertitel des Buches, sieht Schwarz indes durch eine engere Anbindung an die EU in Gefahr. Er raunt etwas von Druckversuchen, die Schweiz einem EU-Beitritt zu bewegen. Einen Beleg für ein solches Ziel Brüssels bleibt er indes schuldig. Ebenso wenig benennt er die wirtschaftlichen Folgen der Ablehnung des Rahmenvertrags. Schwarz hält ein neues Freihandelsabkommen mit der EU für eine Option. Ein solches würde der exportstarken Schweizer Wirtschaft freilich weit weniger nützen als die gegenwärtigen bilateralen Verträge.