(NZZ – MEINUNG & DEBATTE – Mittwoch, 31. August 2019, Seite 37)
SCHWARZ UND WIRZ
Von GERHARD SCHWARZ
Private Unternehmen sind Anker der Marktwirtschaft. Daher zollen die geistigen Väter der Marktwirtschaft den Leistungen der Unternehmer (und Manager) jeweils hohen Respekt. Von deren marktwirtschaftlicher Überzeugung halten die gleichen Denker dagegen weniger. Adam Smith schrieb im «Wohlstand der Nationen»: «Geschäftsleute des gleichen Gewerbes kommen selten, selbst zu Festen und zur Zerstreuung, zusammen, ohne dass das Gespräch in einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder irgendein Plan ausgeheckt wird, wie man die Preise erhöhen kann.» Und der deutsche Ökonom Walter Eucken geisselte das Streben der Unternehmen nach Monopolen und Kartellen, da er die Machtballung fürchtete. Man kann es so sagen: Wirtschaftsführer wollen, dass es ihrem Betrieb gutgeht. Daher haben sie trotz liberalen Lippenbekenntnissen ein Interesse daran, durch Tüchtigkeit oder mit anderen Mitteln den Wettbewerb auszuhebeln und eine monopolartige Stellung zu erlangen. Und sie haben nichts dagegen, wenn sie vom Staat finanziell unterstützt werden oder dieser Regulierungen erlässt, die ihnen Vorteile bringen. Also wollen sie sich auch mit der Politik möglichst gut stellen. Sie sind keine ordnungspolitischen Überzeugungstäter, sondern Pragmatiker.
Ein jüngstes Beispiel ist das Manifest, das 200 amerikanische Unternehmensführer letzte Woche im Rahmen des Business Roundtable über den Zweck von Unternehmen veröffentlicht haben. Darin heisst es, Unternehmen sollten nicht mehr nur die Interessen ihrer Aktionäre verfolgen, sondern auch jene ihrer Mitarbeiter und Zulieferer sowie der Umwelt. Das tönt gut und ist ohne Zweifel richtig. Doch letztlich handelt es sich dabei um ein billiges Surfen auf dem Zeitgeist. Nicht nur Politiker vom linken Rand des Spektrums werden ja seit Jahren nicht müde, gegen die Orientierung am Shareholder Value zu wettern. Um zu zeigen, dass sie die Botschaft gehört haben, erklären nun diese Manager mit viel Getöse, dass sie Abschied vom Shareholder Value nehmen wollen. Nur: Wollen die Chefs von Apple, Walmart, Bank of America, Johnson & Johnson und all den anderen Giganten allen Ernstes behaupten, sie hätten bisher ausschliesslich dem Aktionärsinteresse gehuldigt?
Anstatt sich von der Anti-Shareholder-Value-Ideologie beeindrucken zu lassen, sollten die Wirtschaftsführer den Mut aufbringen, zu erklären, was Orientierung am Shareholder Value meint. Dabei geht es nicht um kurzfristige Maximierung des Profits um jeden Preis, sondern um die langfristige Steigerung des Unternehmenswerts. Sie ist nur möglich, wenn man die Interessen aller Stakeholder berücksichtigt. Wie sollte man sie nachhaltig erreichen können, wenn die Mitarbeiter unzufrieden sind, man sich mit staatlichen Behörden im Dauer-Clinch befindet, die Zulieferer sich ausgepresst fühlen und die Zivilgesellschaft die ökologischen Sünden des Betriebs anprangert? Wer den Unternehmenswert langfristig steigern will, kann gar nicht anders, als gemeinwohlverträglich zu handeln. Aber das Umgekehrte gilt eben auch: Unternehmen, die Arbeitsplätze erhalten, die nicht mehr rentieren, Geld für kulturelle und soziale Anliegen ausgeben und dafür weniger in den Betrieb investieren oder – im Rahmen der Gesetze – ihre Steuern nicht möglichst niedrig halten, gefährden das langfristige Gedeihen des Unternehmens. Damit ist niemandem gedient. Die meisten börsenkotierten Unternehmen kranken nicht an der Ausrichtung auf das Aktionärsinteresse, sondern an Konzessionen an den Zeitgeist und vor allem – unter dem Druck der Aktienmärkte – an der Kurzfristigkeit ihrer Strategien. Unternehmer und Manager müssten dies wissen.
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Gerhard Schwarz ist Präsident der Progress Foundation.