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In den Medien
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01.12.2017

Total Data – oder die auffindbare Nadel im Heuhaufen

Gerhard Schwarz
NZZ

In unserem neu erschienenen Buch „Total Data – Total Control“ setzen sich verschiedene namhafte Autoren mit der zunehmend flächendeckenden Sammlung von Daten und der staatlichen Kontrolle der Menschen auseinander. Konrad Hummler wirft ein Licht auf das Phänomen von Big Data. Er zeigt, dass Datensammlungen keine neue Erscheinung des digitalen Zeitalters sind, sondern schon zu biblischen Zeiten praktiziert wurden. Gemäss Lukas-Evangelium mussten sich Joseph und Maria an ihren Heimatort Bethlehem begeben, um sich dort in eine behördlich verordnete Liste einzutragen. Der Unterschied zur Moderne besteht darin, dass heutzutage der Aufwand für Datenerhebungen massiv tiefer liegt als früher. Mit minimalem Aufwand können alle Spuren, die wir im Gang durch das Internet und Social Media hinterlassen, für bestimmte Zwecke gesammelt und weiterverwendet werden. Jeder Klick auf das Angebot eines Flugs nach Dubai wird registriert und lässt über einen im Hintergrund laufenden Algorithmus die Preise steigen, wenn sich die Nachfrage erhöht. Vielfach wird das folgende Argument vorgebracht: Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten. Hummler hält dieses Argument nicht für hinreichend, um alle Bedenken gegenüber der Daten-Sammelwut zu zerstreuen. Mit Big Data lässt sich die Staatsmacht potenzieren, der gläserne Bürger wird durch internationale Abkommen wie den Automatischen Informationsaustausch (AIA) Wirklichkeit. Die Daten können in die Hand von alles andere als wohlmeinenden Mächten fallen, und die Gefahr des Missbrauchs besteht ohnehin immer.

Doch es gibt auch sehr positive Aspekte von Big Data. Die niedrigen Kosten der Informationstechnologie lassen es beispielsweise zu, den Zahlungsverkehr so günstig zu gestalten, dass mehr Markt spielen kann. Dadurch liessen sich bisher aus technischen Gründen als «öffentlich» angesehene Güter zu privaten Gütern machen. So könnte das Benutzungsrecht eines Strassenabschnitts genau zugeordnet werden: Die flächendeckende Datenerfassung lässt es zu, jede Nadel im Heuhaufen zu finden und damit jeden Benutzer zu identifizieren. Mittels Road Pricing kann dann genau die Leistung bezahlt werden, die man bezogen hat: aus dem öffentlichen Gut «Autobahn» wird ein privates. Durch diese Allokation über den Markt lassen sich Staus besser steuern und Probleme der Finanzierung besser lösen. Es liegt also auf der Hand: Wir müssen die negativen Folgen von Big Data bedenken, können und sollen aber auch die Chancen packen, die sich daraus ergeben.