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In den Medien
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01.12.2017

Supranational entrechteter oder souveräner Nationalstaat?

Gerhard Schwarz
NZZ

Unser im Juni erschienenes Buch „Kleinstaat Schweiz – Auslauf- oder Erfolgsmodell?“ liegt bereits in 2. Auflage vor. Es enthält zahlreiche Beiträge hochkarätiger Autoren. Beat Kappeler spricht in seinem Beitrag über das Verhältnis souveräner Nationalstaaten zu supranationalen Organisationen.
Der Vorwurf lautet: Internationale Organisationen eignen sich zunehmend Kompetenzen an, für die sie keinerlei Legitimationsbasis besitzen. Kappeler spricht von einer schleichenden Ausweitung („mission creep“). In praktisch allen Institutionen wie UNO, WTO, IMF, OECD und EU findet eine Anhäufung von nicht demokratisch legitimierten Befugnissen statt. Die Ernennung von Funktionären dieser Organisationen ist für die normalen Bürger eines Landes kaum nachzuvollziehen. Es findet keine demokratische Kontrolle statt, weil das Volk dazu nichts zu sagen hat.

Die EU ist ein gutes Beispiel für solch schleichende Ausweitungen der Kompetenzen. Man denke u.a. an die Ausweitung der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), an die Einführung des Euro und an den „Lissabonner Vertrag“. Nun ist allerdings wegen der zunehmenden Migration in zahlreichen EU-Ländern grosser Widerstand gegen die Verlagerung der Kompetenzen entstanden. Einige Parteien fordern, dass die „Grundkompetenz des Nationalstaats“, selbst zu bestimmen, wer unter welchen Bedingungen im jeweiligen Land leben darf und wer welche Ansprüche geltend machen kann, wiederhergestellt werden sollte. Sie ging durch die sehr rigorose Auslegung der Personenfreizügigkeit verloren.

Kappeler wendet sich nicht grundsätzlich gegen zwischenstaatliche Zusammenarbeit, sondern hält sie im Gegenteil wichtig für die Verständigung der Nationalstaaten und für die Liberalisierung der Märkte. Es dürfe dabei aber nicht die Vielfalt der Ideen zugunsten von Kompetenzanmassung durch mächtige Organisationen aufgegeben werden. Die Schweiz solle hier mehr Mut beweisen und sich mit anderen mittelgrossen Staaten zusammentun, um gegen die hegemoniale Macht der grossen Staaten und deren Einflüsse auf die supranationalen Organisationen eine kritische Stimme zu erheben.