Liberale brauchen heute ein breites Kreuz, wenn sie nicht umfallen wollen. Fast unentwegt prügelt der Wähler auf sie ein. Die deutsche FDP kassiert eine Wahlschlappe nach der anderen. Der Freisinn, die liberale Partei der Schweiz, ist bei den Eidgenossen ebenfalls schon auf mehr Sympathie gestoßen. Dazu kommt ein schlechter Ruf: Gelten Liberale und ihre politische Organisationen in den Augen vieler doch als kalt, rücksichtslos, nur auf die Durchsetzung ihres eigenen wirtschaftlichen Vorteils und die Sicherung von Pfründen bedacht.
Kein Wunder also, dass in manchem Haushalt liberale Wahlniederlagen mittlerweile wie ein Sieg der Lieblingsmannschaft in der Champions League gefeiert werden. Doch ist das miese Image überhaupt gerechtfertigt? Gibt es Abhilfe? Solche Fragen hatte sich die in Zürich beheimatete Progress Foundation gestellt und zu einer Vortragsveranstaltung unter der Überschrift „Warum sich der Liberalismus so schlecht verkauft“ eingeladen.
Die ehemalige Tessiner Regierungsrätin Marina Masoni machte deutlich, dass liberale Ideen für viele durchaus schwer verdauliche Kost bedeuten können. Denn: „Der Liberalismus macht Einzelnen keine materiellen Versprechungen“, sagte die Anwältin. So garantiert er niemandem, den einmal erreichten Lebensstandard dauerhaft halten zu können, wenn neue wirtschaftliche Verhältnisse eintreten. Gäbe es so etwas, glichen diese Garantien Privilegien, die ungerecht wären und die dynamische Entwicklung der Wirtschaft bremsen würden. Ein Beispiel: Stützt der Staat ein großes Unternehmen, das sich in Schwierigkeiten befindet, lässt aber viele kleine Handwerksbetriebe untergehen, ist dies eine klare Bevorzugung. Zudem kosten solche Hilfen Geld. Diese finanziellen Mittel stehen andernorts nicht mehr zur Verfügung, wo sie möglicherweise sinnvoller eingesetzt wären, wie zum Beispiel über niedrigere Steuersätze in den Taschen der Menschen.
Ebenso wenig hält der Liberalismus stur an dem Bestehenden fest. Altes, brüchig Gewordenes wird abgelehnt, wenn es nicht zur Bewältigung der Gegenwart taugt. Die Bewahrung alter Strukturen um ihrer selbst willen und aus der Angst vor Veränderung heraus lehnt der Liberalismus ab. So lassen sich Ideen, Sitten und Gebräuche, welche die persönliche Entwicklung eines Einzelnen behindern, nicht mit ihm in Einklang bringen. Die einst in konservativen Kreisen verbreitete Vorstellung, dass Arbeiterkinder ungeachtet ihres Potenzials nicht aufsteigen sollen, wäre zum Beispiel eine solche.
Eigentlich kann der Liberalismus nur ein Freiheitsversprechen bieten, sagte Masoni. Das heißt: Die Menschen können in einer liberalen Ordnung ein Leben nach ihren eigenen Vorstellungen führen und ihre Meinung frei artikulieren, sofern sie die Freiheit des anderen nicht einschränken. Der Staat sorgt für einen sicheren Rechtsrahmen, der zu keinen Privilegien berechtigt. Zu diesem fest verankerten Regeln gehört auch der Schutz des Bürgers vor einem bevormundenden und einem gleichmacherischen Staat.
Historiker spricht von FDP-Schülerlotsenführung
Das Bankgeheimnis ist für die Schweizerin ein Teil dieses Abwehrwalls. Es bewahre in erster Linie vor neugierigen Blicken und willkürlichen Zugriffen des Staates auf das Vermögen der Bürger. Entgegen mancher Behauptung sei es in der Schweiz nicht dazu gedacht gewesen, Steuerhinterziehung durch Ausländer zu begünstigen.
Liberalen Ideen die Schuld für die Finanzkrise zu geben, sei ein Fehlschluss, sagte Masoni. Persönliche Freiheit gehe immer mit persönlicher Verantwortung einher. Wer riskante Geschäfte mache, müsse dafür geradestehen. Dies sei vor und während der Krise nicht der Fall gewesen. Das Freiheitsversprechen des Liberalismus habe vielmehr eine ungeheure positive Wirkung auf der Erde entfaltet, sagte Masoni. Nie seien die Menschen freier und reicher und gewesen als im 21. Jahrhundert.
Der deutsche Historiker und Publizist Arnulf Baring führte die schlechten Wahlergebnisse der FDP auf die schwächer gewordene Führungsmannschaft zurück. „Wir sehen einen Verfall des Personals in allen Parteien“, sagte er. Westerwelle sei ein Unglück für die FDP gewesen, sein Nachfolger Philipp Rösler zu jung, um das Geschäft in Berlin gut genug zu verstehen. Er bezeichnete die neue Mannschaft an der Spitze als Schülerlotsenführung.
Der FDP empfahl er, sich beim Euro stärker von den anderen Parteien abzugrenzen. Mehr Widerstand gegen die Euro-Rettungspakete hätte der FDP viel Sympathie bei der deutschen Bevölkerung gebracht, da sie zu Recht um ihr hart erarbeitetes Geld fürchte. Den Euro lehnt Baring ab. Eine Währungsunion von Staaten, die sich wirtschaftlich stark unterschiedlich entwickeln, werde entweder zu einer Transferunion führen oder am Ende auseinanderbrechen.
Quelle: https://www.badische-zeitung.de/warum-verkauft-sich-der-liberalismus-so-schlecht–58797456.html